Muss die Toilette neu erfunden werden?
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Die Spültoilette ist rund 400 Jahre alt. Im Jahr 1596 hatte der Brite John Harington bereits einen Prototypen vorgelegt. Allerdings war er mit seinem Wasserklosett (WC) seiner Zeit voraus, erst 200 Jahre später erlangte das WC Marktreife und ist heute in Europa und den reicheren Ländern eine Selbstverständlichkeit. Doch was in Deutschland und anderen Nationen mit nur einem Druck weggespült wird, ist anderswo alles andere als selbstverständlich.
Rund 4,5 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sicheren Sanitärsystemen, vor allem in ärmeren Ländern fehlt es häufig an sanitärer Infrastruktur und an sauberen Toiletten. Die Menschen verrichten ihr Geschäft im Freien, und die menschlichen Ausscheidungen belasten Bäche, Flüsse und Gewässer, die eigentlich der Trinkwasser-Versorgung dienen – mit dramatischen Folgen: Wegen des verschmutzten Wassers können sich Durchfallerkrankungen wie Cholera und Typhus, vor allem bei Babys und Kleinkinder ausbreiten.
So gehören Durchfallerkrankungen inzwischen zu den häufigsten Todesursachen bei Kindern unter fünf Jahren, bis zu einer halben Million Kinder unter fünf Jahren sterben jährlich an den Folgen verschmutzen Wassers.
Das hat längst gemeinnützige Organisationen und auch die deutsche Bundesregierung auf den Plan gerufen. So setzt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) inzwischen einen Schwerpunkt auf die sichere Trinkwasserversorgung, beispielweise durch integrierte Ansätze bei der Sanitärversorgung in ärmeren Länder oder durch Unterstützung der Initiative Sanitation for Millions. Nicht zuletzt zählt der Zugang zu sauberem Wasser zu einem der 17 globalen Nachhaltigkeitsziele, die 17 Sustainable Development Goals (SDGs), auf die sich die Weltgemeinschaft in ihrer Agenda 2030 im Jahr 2015 geeinigt hat. Und auch die Bill & Melinda Gates Foundation sieht im Zugang zu sicheren Sanitärsystemen einen wichtigen Schritt, um Menschen ein gesundes und erfülltes Leben zu ermöglichen – und vor allem auch um die Kindersterblichkeit in der Welt weiter zu senken.
Ein Artikel als Wendepunkt
Ein Text über verschmutztes Wasser war einst auch Auslöser für die Gründung der Gates Foundation. Im Jahr 1997 veränderte der Zeitungsartikel das Leben von Bill und Melinda Gates. In dem Artikel ging es um Rotaviren, an denen jedes Jahr eine halbe Million Kindern starben, vor allem in Afrika und Südostasien. Dass eine, in reichen Ländern leicht zu behandelnde Krankheit in ärmeren Ländern einen tödlichen Verlauf nahm, lag, so der Artikel, in erster Linie an verschmutztem Wasser, an mangelnder Hygiene und vor allem auch an mangelhaften Sanitärsystemen.
Der Text hinterließ eine tiefe Wirkung und war der Wendepunkt im Leben des Microsoft-Gründers und seiner Ehefrau. Sie begannen, sich mit der globalen Gesundheitsversorgung zu beschäftigen, sie erfuhren, dass harmlose Krankheiten in manchen Ländern tödlich verliefen, weil Impfstoffe und Medikamente fehlten, und dass es wiederum für andere Krankheiten keine Impfstoffe gab, weil niemand die Forschung finanzierte.
Und da war sie: die Lebensaufgabe. Die beiden gründeten die Bill & Melinda Gates Foundation, eine Non-Profit-Organisation, die sich inzwischen weltweit für ein menschenwürdiges und gesundes Leben einsetzt. Was als Reaktion auf einen Zeitungsartikel begann, ist nun eine Organisation, die sowohl den medizinischen Fortschritt als auch die Gesundheit in ärmeren Ländern unterstützt und fördert. Und dazu gehört auch die Entwicklung zukunftsfähiger Toiletten.
Das WC ohne W
Denn: Um möglichst vielen Menschen ein menschenwürdiges WC und den Zugang zu sicheren Sanitärsystemen zu ermöglichen, muss Haringtons Erfindung dringend überarbeitet werden – und dafür wird unter anderem auf das „W“ bei WC verzichtet. Es gilt, eine neue Generation von Toiletten zu entwickeln, die so wenig Wasser wie möglich benötigen und die auch ohne ein ausgeklügeltes Abwassersystem funktionieren. Mittelfristig soll es Toiletten geben, die über ein in sich geschlossenes Aufbereitungssystem verfügen, das zum einen krankmachende Erreger abtötet und zum anderen die Ausscheidungen wieder aufbereitet. Um genau hier Innovationen voranzutreiben, hat die Gates Foundation in den vergangenen Jahren rund 200 Millionen US-Dollar bereitgestellt. Unter anderem rief sie den Wettbewerb Reinvent the Toilet Challenge ins Leben, bei dem Forschungsteams in Seattle aufgefordert wurden, das Design und die Technologie zukünftiger Toiletten zu überdenken.
Erste Pilotprojekte sind angelaufen. Wie beispielsweise im westafrikanischen Senegal, wo der sogenannte Janicki Omni-Processor (JOP) sehr erfolgreich eingesetzt wird. Der Omni-Processor ist eine Maschine, die Ausscheidungen aus den Grubenlatrinen aufbereiten und in drei Nebenprodukte umwandeln kann: Wasser, Dünger sowie ausreichend Strom, um die Toilette zu betreiben.
Auch deutsche Firmen engagieren sich verstärkt für Sanitärsysteme in ärmeren Ländern. Aus einer Zusammenarbeit zwischen dem chinesischen Unternehmen DeTong und dem Berliner Bioenergie-Anbieter BEB ist die erste Biogasanlage in Burkina Faso entstanden, eine Anlage, die menschliche Ausscheidungen in Strom verwandelt. Und unterstützt von der Gates-Stiftung engagiert sich die Bremer Expertenorganisation BORDA e.V. für Planung und Gestaltung von Fäkalienkläranlagen (FSTP) sowie dezentralen Abwassersystemen.
Und die staatliche Gesellschaft für wirtschaftliche Zusammenarbeit (GIZ) sorgt von Deutschland aus dafür, dass urbane Stoffstromdiagramme in zahlreichen Ländern verfügbar sind. Mit Hilfe dieser Diagramme lassen sich die Verläufe des Abwassers besser nachvollziehen sowie die Planung der Sanitärversorgung deutlich verbessern. Es ist eben nicht mehr länger die Frage, ob es gelingt, Toiletten und andere Sanitärsysteme neu erfinden zu können – sondern nur noch, wie schnell Lösungen im großen Stil eingesetzt werden können, damit immer mehr Menschen sie nutzen können. Denn mit jedem neuen sicheren Sanitärsystem steigt die Chance, dass Kinder nicht an einem Schluck Wasser sterben.
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Über die Bill & Melinda Gates Foundation
Jedes Leben ist gleich viel wert. Auf diesem Grundsatz beruht die Arbeit der Bill & Melinda Gates Foundation, die sich weltweit dafür einsetzt, Menschen ein gesundes und erfilt es Leben zu ermöglichen. Schwerpunkte der Arbeit sind die Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Entwicklungsländern sowie der Kampf gegen Armut und Hunger. In den USA engagiert sich die Stiftung zudem für mehr Chancengerechtigkeit und ermöglicht Menschen aus ärmeren Verhältnissen einen Zugang zu Bildung. Hauptsitz der Stiftung ist Seattle im US-Bundesstaat Washington, Stiftungsvorsitzende sind Bill und Melinda Gates sowie Warren Buffet. Als Geschäftsführer der Stiftung, die weltweit eine Vielzahl an Niederlassungen unterhält, ist Mark Suzman tätig.
Veröffentlicht 1/5/21